USA
(1920 - 2010)
Rosenheimer Str. 31
Historiker, Wissenschaftler
Werner Angress hatte eine landwirtschaftliche Grundausbildung für jüdische Auswanderer in Groß Breesen (Schlesien) erhalten, bevor er mit seiner Familie 1937 über Großbritannien in die Niederlande auswanderte. Von Amsterdam aus gelang es ihm 1939, in die USA zu emigrieren. Dort arbeitete er auf einer Farm in Virginia. 1941, als 21-Jähriger meldete er sich zur Armee, wurde einer der „Ritchie Boys“. Angress nahm an der Landung in der Normandie teil und geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach der Freilassung verhörte er selbst deutsche SS-Angehörige. Er erfuhr, dass sein Vater im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden war. Die Mutter und die beiden Brüder hatten untergetaucht in Amsterdam überlebt.
Er ging zurück in die USA und wurde nach dem Studium Professor für europäische und deutsche Geschichte. In den 1950er Jahren war er mit Ruth Klüger, die Literaturwissenschaftlerin und Autorin wurde, verheiratet; das Paar hatte zwei Söhne. 1988 kehrte Angress nach Berlin (West) zurück.
(1893 - 1968) (1891 - 1976)
Viktoria-Luise-Platz 1 (Anwaltskanzlei)
Rechtsanwälte
1933 Verhaftung der beiden Brüder in ihrer Kanzlei (detaillierte Beschreibung des Verhörs im “wilden KZ“ Papestraße), für beide 1933 Entzug der Rechtsanwaltszulassung, Hinwendung zum Zionismus (Kurt). 1938 Deportation ins KZ Sachsenhausen, Freilassung und Emigration in die USA (Fritz) bzw. nach Palästina (Kurt),
Mitinitiator der Gedenkstätte Yad Vashem.
9. Juli 1887 Berlin – 23. Juni 1965 New York
Goltzstr. 34 (Anwaltskanzlei)
Rechtsanwältin
Berent ist ein Beispiel für den schwierigen Weg von Frauen in die Jurisprudenz in Deutschland. Sie legte zuerst das Lehrerinnenexamen ab, für das kein Studium erforderlich war. Erst 1910 konnte sie als Frau das Abitur ablegen, was ihr den Zugang zur Hochschule ermöglichte. Das Jurastudium konnte sie 1914 lediglich mit der Promotion abschließen, da sie als Frau nicht zum Staatsexamen zugelassen wurde. Anschließend arbeitete sie als „juristische Hilfsarbeiterin“ in Anwaltskanzleien und in Rechtsschutzstellen. 1919, nach Errichtung der Weimarer Republik, bestand sie schließlich das erste juristische Staatsexamen. Nach vierjährigem Referendariat und zweitem Staatsexamen wurde sie 1925 als Rechtsanwältin zugelassen. Neben ihrer anwaltlichen Praxis engagierte sie sich in verschiedenen Organisationen und Verbänden für die Gleichstellung der Frau, zugleich auch in jüdischen Institutionen.
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gelangt waren, wurde Berent zum Juni 1933 als Jüdin mit Berufsverbot belegt, ihre anwaltliche Zulassung gelöscht. Bis zum November 1939 arbeitete sie für die Zentralwohlfahrtstelle der deutschen Juden in Berlin und Köln. Ab 1938 bemühte sie sich um eine Auswanderung in die USA, was allerdings wegen der begrenzten Einreisequoten nicht möglich war. Im Dezember 1939 gelang es ihr, über die Schweiz und Italien nach Chile zu emigrieren, wo sie mit Sprachunterricht versuchte, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Im August 1940 erhielt sie schließlich ein Visum für die USA. Nach der Ankunft jobbte sie in New York als Haushaltshilfe und im Postversand. 1942 begann sie im Abendstudium erneut Jura zu studieren. 1949, im Alter von 62 Jahren, legte sie das Bar Exam (Zulassung als Anwältin) des Staates New York ab. Mit der Niederlassung als Anwältin erzielte sie jedoch nur geringe Einkünfte, sodass sie von 1953 bis kurz vor ihrem Tod 1965 als Angestellte der Rechtsabteilung der Stadt New York arbeiten musste.
Gedenktafel (2002) vom Deutschen Juristinnenbund und Bet Debora, Goltzstr. 34
(25. August 1924 - 27. März 2019)
Winterfeldstr. 25
Maler und Fotograf
Gert Berliner, 1924 in Berlin geboren, wuchs als einziges Kind einer liberalen jüdischen Familie in Berlin Schöneberg auf und ging hier zur Schule. Sein Vater war Apotheker. 1939 konnte er - mit einem Kindertransport nach Schweden - Deutschland verlassen. Seine Eltern hat er nie wieder gesehen.
1947 emigrierte er von Schweden in die USA und lebte in New York und New Mexico.
Gert Berliner machte sich als Fotograf, Maler und Filmemacher einen Namen. Vor allem in den 60er Jahren publizierte er seine Bilder in den meisten großen US-amerikanischen Magazinen – New York Times, New York Herald Tribune Sunday Magazine, Harpers Bazaar, Saturday Evening Post u. a.
Bekannt wurde besonders seine schwarz-weiß Serie, die einsame Menschen in der Metropole NYC zeigt.
In diese Zeit fiel auch die Begegnung mit Robert Frank. Bei mehreren Filmen arbeiteten Robert Frank und Gert Berliner zusammen, u. a 1963 "O.K. End Here", 1960 "Sin of Jesus.
Von 1971 bis 1976 lebte er in Rom und Cetona, Italien. Hier hatte er als Maler mehrere Einzelausstellungen.
In Berlin stellte er zuletzt 1995 "Silent Places - A Pilgrimage" im Haus am Kleistpark aus - Fotografien der Konzentrations- und Vernichtungslager in Osteuropa.
Im Rahmen einer Gruppenausstellung wurden 2014 seine Fotografien in der Howard Greenberg Gallery, NYC gezeigt.
Gert Berliner lebt in NYC, USA.
Lehrtätigkeit:
1959 Brooklyn College,
1967 – 68 New York University
1967 – 71 School of Visual Arts (New York)
Nach dem Krieg häufige Besuche in Berlin.
(1899 - 1987)
Bamberger Str. 40
Lyrikerin
Briefwechsel u. a. mit Rainer Maria Rilke. 1937 Emigration in die Niederlande, von dort aus Internierung in Westerbork 1943 und Deportation 1944 nach Theresienstadt. Überlebt mit der Tochter (s. Mirjam Merzbacher) und wandert mit ihr 1947 in die USA aus. In ihrem Gedichtsband „Ohnesarg“ von 1984 verarbeitet sie ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Holocaust.
(1922 - 1944)
Wulfila Ufer 52
Kinderfürsorgerin
Leistet Hilfe zur Flucht für jüdische Kinder. Zionistin. Familiäre Bande zu Walter Benjamin. 1934 Emigration nach Spanien, 1936 nach Frankreich, 1937-1938 Übersiedlung in die Schweiz. 1938 Rückkehr nach Frankreich, Widerstandskämpferin (französische Résistance). 1940-1942 mehrmals Inhaftierung des Vaters, 1942 geht die Familie unter falschem Namen in den Untergrund. 1944 Verhaftung von Marianne Cohn durch die Gestapo, am 8. Juli 1944 Hinrichtung in Ville-la-Grande.
Nach 1945 vielfach in Frankreich, Israel und Deutschland geehrt (Auswahl):
- 7.11.1945: Militärregierung Lyon verleiht ihr posthum das Kriegskreuz mit silbernem Stern
- 1956 Ville-la-Grande: Straßenbenennung nach Marianne Cohn und Einweihung eines Denkmals für sie und andere am selben Tag hingerichtete Widerstandskämpfer
-1982 eröffnet François Mitterrand zu Ehren von Marianne Cohn einen Garten in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem
- 1984 Eröffnung der Marianne-Cohn-Schule in Berlin-Tempelhof
- Stolperstein (2007): Wulfila Ufer 52, Tempelhof
(1879 - 1955)
Haberlandstr. 5 (heute: Nr. 8, zwischenzeitlich: Nördlinger Str. 8)
Physiker, Wissenschaftler
Verbrachte Kindheit und Jugend in Ulm, München, Mailand und Zürich, zahlreiche Wechsel und Abbrüche der Schulausbildung. Berühmt geworden mit seiner Relativitätstheorie (1905). Seit 1913 Mitglied der „Preußischen Akademie der Wissenschaften“, Berlin. Erhielt 1922 den Nobelpreis für Physik. Bei Machtantritt Hitlers auf Auslandsreise, emigrierte er 1933 als Jude und bekennender Pazifist sofort in die USA, kehrte nie wieder nach Deutschland zurück.
Gedenkstein und Gedenkstele (2013), Haberlandstr. 8
Hilbertstr.1
Handel
Henriette Freudenfels, geb. Silbermann (1883-Jan.1938), Richard Freudenfels (1879-1941), Textilwarenhandel in Marienfelde u. Lichtenrade. Soldat im Ersten Weltkrieg, bekam “Eisernes Kreuz” verliehen, Mitglied der Herder-Loge.
Tochter Charlotte (geb. 1910), Emigration 1933 nach Palästina, 1954 in die USA. Sohn Herbert (1913-1976), Emigration 1934 nach Palästina, 1954 in die USA.
Heirat Richard Freudenfels mit Dorothea Silbermann (1882-1941), Schwester v. Henriette, im Okt.1938; vergebliche Bemühungen, die Einreisebedingungen versch. Exilländer zu erfüllen. 27.11.1941 Deportation nach Riga, wo sie am 30.11.41 ermordet wurden.
Stolperstein: Hilbertstr.1-2, Berlin-Lichtenrade
(geb. 1928)
Aschaffenburger Straße
4. Volksschule der Jüdische Gemeinde in der Synagoge Prinzregentenstraße
Als blondes Baby stand sie Modell für eine vielgenutzte Reklametafel der Firma Fissan, Kinderpflegeprodukte. In der NS-Zeit durften sie und ihre Eltern ihre Identität auf diesem Foto, das weiterhin für die Werbung genutzt wurde, nicht preis geben, weil sie „Nichtarierin“ war. Die 4. Volksschule, die sie besucht, wird 1938 in der Novemberpogromnacht Opfer der Flammen. 1938 geht sie zusammen mit ihren Eltern erst ins belgische Exil, dann 1939 Emigration in die USA. – Sie kommt mehrfach zu Besuch in die Ausstellung, um ihr Album durchzublättern, zuletzt 2019 mit ihrer Enkelin.
(1900 - 1980)
Bayerischer Platz 1 (Praxis), Salzburger Str. (Wohnung)
Sozialpsychologe, Psychotherapeut, Wissenschaftler
Aufgewachsen in einer streng gläubigen Familie. Studium der Soziologie in Heidelberg. Ende der 1920er Jahre Ausbildung zum Psychoanalytiker am Berliner Psychoanalytischen Institut. Ab 1930 Leiter der Abteilung Sozialpsychologie am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Nach der Brandmarkung der Psychoanalyse als „jüdische Wissenschaft“ ging Fromm 1933 in die Emigration, erst in die Schweiz, 1934 dann in die USA, wo er u. a. an der Columbia University in New York tätig war. 1950 zog er nach Mexiko und 1973 in die Schweiz. Veröffentliche zahlreiche, teils sehr populäre Bücher, u. a. „Die Kunst des Liebens“ (1956).
(1880 – 1961)
Bismarckstr. 33 (heute: Belßstr. 1), Tempelhof
Arzt
„Mein Vater war nicht nur ein guter Arzt, sondern auch ein Mensch, dem es egal war, welche Religion ein Mensch hat. Hauptsache, er war gut [...]
Mein Elternhaus war immer offen für die, die nichts hatten. Jeder Bettler bekam Geld und von der Köchin etwas zu essen.“
Zitat: Brief Hannah Manshel an Hans-Werner Fabarius vom 23.April 1988
Moritz Jacobsohn war Reichsbahnarzt, Werksarzt bei Daimler-Benz, praktizierte aber auch als Hausarzt „Den lieben Gott von Marienfelde“ bestellten simulierende Kranke zu Hausbesuchen, wo er mit Kot beworfen wurde. Heimlich gingen selbst Nazis zu ihm. Er ging ins Exil über Großbritannien und Kuba in die USA, wo Quäker ihm eine Professur ermöglichten. Mit 60 Jahren musste er in New York erneut ein Examen ablegen, damit er wieder praktizieren konnte
Gedenkstein (1990): Marienfelder Allee, Ecke Belßstraße in Tempelhof
Straßenbenennung (1991): Dr.-Jacobsohn-Promenade in Tempelhof
(1903 - 1978)
Wartburgstr. 19
Rechtsanwalt
Syndikus der Eisenbahner-Gewerkschaft, 1933 Emigration nach Dänemark. Flucht durch viele Länder, ab 1940 auf den Philippinen (Asien). Lebte später in den USA, dann im Auftrag der UNO in Italien tätig, nimmt die schwedische Staatsbürgerschaft an.
Mit seiner Frau, einer Dänin, hatte er eine Tochter, die später Botschafterin Schwedens in Deutschland und Italien wurde.
Burggrafenstr. 18
Werner-Siemens-Realgymnasium (heute: Georg-von-Giesche Oberschule)
Die Mutter Charlotte Joseph geb. Fremma hatte Kunstgeschichte an der Berliner Universität studiert; der Vater Hans Ludwig Joseph war Chefarzt der Kinderabteilung im Weddinger Krankenhaus und führte daneben eine eigene Praxis.
Die Familie lebte nicht koscher und besuchte die Synagoge nur an den Hohen Feiertagen.
Am 1. September 1933 emigrierte sie nach Florenz, später über Paris nach Brasilien und schließlich in die USA. Otto Joseph begann 1941 in Brasilien die Ausbildung zum Kaufmann bei einem Zweigbetrieb der deutschen Böhler AG. Später arbeitete er in den USA als Prokurist in einer Stahlfabrik und gründete danach eine eigene Firma für Stahlmetalle. Er starb 2011 in den USA.
(1907-1975)
Hohenzollernkorso 68 (Neu-Tempelhof), heute: Manfred-von-Richthofen-Straße; Bleibtreustraße 10-11 (Charlottenburg)
Dichterin, Schriftstellerin
1907 in Galizien als Golda Malka Aufen geboren, wurde um 1930 in Berlin mit Großstadtgedichten bekannt. Sie arbeitete noch als Kontoristin, veröffentlichte aber schon in der Vossischen Zeitung, im Tempo und im Querschnitt Gedichte – von manchen abfällig „Gebrauchslyrik“ genannt. 1933 erschien der erste Gedichtband „Das lyrische Stenogrammheft“, 1934 der zweite, „Kleines Lesebuch für Große“. 1933/34 besuchte sie die Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann in Schöneberg. Sie liebte Chemjo Vinaver, war noch mit einem anderen verheiratet, als sie ein Kind bekamen. 1938 konnte das Paar heiraten und in die USA emigrieren. In New York verdiente sie den Lebensunterhalt mit Reklametexten, Kindergedichten, schrieb auch für den Aufbau (deutschsprachige Exilzeitschrift).
Ihre Exil-Gedichte publizierte sie 1945 in dem Band „Verse für Zeitgenossen“; auch ihre älteren Arbeiten wurden wieder aufgelegt. 1956 besuchte Mascha Kaléko zum ersten Mal nach ihrer Emigration wieder Deutschland und Berlin. Als ihr 1960 der Fontane-Preis der Akademie der Künste verliehen werden sollte, lehnte sie das mit guten Gründen ab.
1959 zog sie mit ihrem Mann, dem Dirigenten, Komponisten und Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver, nach Israel. Am 11. Oktober 1968 las sie in der Theodor-Heuss-Bibliothek in Berlin-Schöneberg.
Die prominente deutschsprachige Lyrikerin des 20. Jahrhunderts starb 1975 in Zürich.
Literaturhinweis: Jutta Rosenkranz: Mascha Kaléko. Biografie, München 2012.
Gedenktafel: Bleibtreustraße 10/11 in Charlottenburg
Mascha-Kaléko-Weg in Berlin-Kladow
Gedenktafel: Bleibtreustraße 10/11 in Charlottenburg
Mascha-Kaléko-Weg in Berlin-Kladow
(1868 - 1941)
Aschaffenburger Str. 6 a
Philosoph, Mathematiker
Lasker galt als „Philosoph am Schachbrett“, er war promovierter Mathematiker und von 1894 bis 1921, über 27 Jahre hinweg, Schachweltmeister und verdiente mit Turnierkämpfen seinen Lebensunterhalt. Er war der Schwager von Else Lasker-Schüler, mit der sein Bruder Bertold eine Zeitlang verheiratet gewesen war. Lasker spielte auch Go und Bridge und publizierte neben Arbeiten zum Schach auch philosophische Schriften.
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gelangt waren, ging Lasker mit seiner Frau Martha geb. Cohn ins Exil in die Niederlande, 1934 nach Großbritannien, wo er wieder intensiver an Schachturnieren teilnahm. 1935 folgte er einer Einladung in die Sowjetunion. Dort arbeitete er als Mathematiker; angesichts der stalinistischen „Säuberungen“ kehrte er 1937 von einem Besuch bei der Stieftochter in New York nicht mehr zurück und ließ sich dauerhaft in den USA nieder. 1938 wurde er aus Deutschland ausgebürgert. Lasker starb 1941 fast mittellos in den USA.
2001 wurde, anlässlich seines 60. Todestages, die Emanuel Lasker Gesellschaft gegründet.
(1918 - 1999)
Maaßenstr. 28
Historiker, Wissenschaftler
Sohn des Verlegers Hans Lachmann-Mosse. 1933 Enteignung und Flucht der sehr wohlhabenden assimilierten Familie in die Schweiz. Weitere Emigrationsländer: Frankreich, Großbritannien, schließlich 1939 USA, wo er sich als Historiker mit den Themen Masse, Nationalsozialismus und Sexualität auseinandersetzte; zahlreiche Publikationen.
„Das Exil hat mich mit Energie erfüllt und herausgefordert wie nichts zuvor.“
Motzstr. 5, Kurfürstenstr. 115*
Dr. Wilhelm Mühsam (1874- 1939) war ein berühmter Augenarzt, sein Sohn Heinrich (1900- 1944) war Journalist, er wurde in Auschwitz ermordet, die Mutter Paula (1876-1943) wurde in Theresienstadt ebenfalls ermordet. Gerettet wurden Louise (geb. 1903), die 1938 ins Exil nach Australien ging und Rudolf (1906-1994), der 1937 in die USA emigrierte.
Gedenktafel: Vor dem Haus Kurfürstenstr. 115 (an der Bushaltestelle), erinnert an das Vereinshaus des jüdischen Brüdervereins (ab 1939 vom „Judenreferat der Gestapo“ unter Leitung von Adolf Eichmann genutzt)
(1892-1965)
Heilbronner Str. 26
Krankenschwester
Tochter Ursula (später Susan) emigriert als Lehr-Krankenschwester 1938 nach Großbritannien, später in die USA. 1941 Zwangsarbeit von Ludwig und Camilla Neumann. Nach der „Fabrikaktion“ 1943 Deportation von Ludwig Neumann nach Auschwitz. Camilla Neumann geht daraufhin 1943-1945 in die Illegalität und wird von verschiedenen Personen in Berlin versteckt. 1946 „Erlebnisbericht aus der Hitlerzeit“, 1949 Auswanderung in die USA.
Ihr früher Erlebnisbericht (1946) wurde in Auszügen in „Orte des Erinnerns Band II, Jüdisches Alltagsleben im Bayerischen Viertel“, Hg. Kunstamt Schöneberg, 1999 (2. Auflage) veröffentlicht.
(1886 - 1975)
Heilbronner Str. 2
Essayist, Kritiker, Herausgeber
War Dramaturg bei Max Reinhardt am Deutschen Theater. Sein 1914 herausgegebenes „Kinobuch“ ist die erste Sammlung zu Literatur und Film, seine 1920 herausgegebene „Menschheitsdämmerung“ die berühmteste Anthologie expressionistischer Lyrik. Bereits 1933 steht er auf der ersten Liste verbotener Autoren. Emigration 1937 in die USA.
Nach dem Krieg 1966 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und Rückkehr nach Marbach. 1971 stiftet er dem dortigen Literaturarchiv seine kostbare Bibliothek.
Gedenktafel (1992): Heilbronner Str. 2
Kirchstr. 84, Tempelhof
Kaufleute und Modezeichnerin
Naftalin Plattring (1878-1942) aus Ostgalizien heiratet 1897 Antonie (Toni) Sommer aus Czernowitz (1883-1942). Er hat die philippinische Staatsangehörigkeit und ist auf der Insel Cebu als Perlenhändler tätig. 1922 Umzug der Familie nach Berlin-Marienfelde, Aufbau der Firma Stern Verschlüsse GmbH in der Potsdamer Str. 61. Die Söhne Friedrich (1902-1956) und Adolf Marcus (1904-1973) arbeiten als Buchhalter in der väterlichen Firma. Friedrich emigriert als Frederick 1937 in die USA und lebt als Kürschner in New York City. Auch Adolf Markus emigriert 1937 in die USA. Tochter Fanny Luise (geb. 1911) wird Krankenschwester und geht nach Uruguay. Flora (1913-1966) besucht die Modezeichnerinnenklasse des Lette-Vereins. Jeannette (geb.1915) emigriert 1939 nach Argentinien, lebt später auch in den USA. Die Eltern Naftalin und Toni Plattring werden 1942 nach Riga deportiert, wo sich ihre Spur verliert.
Stolpersteine (2011): Kirchstr. 84 für Naftalin und Antonie Plattring
(geb. 1924)
Nymphenburger Str. 3
Luise-Zickel-Schule (jüdische Privatschule)
Von den Eltern, die in Schlesien eine Essig- und Senffabrik besaßen, nach Berlin geschickt, besuchte sie die „Zickel-Schule“. Sie erlebte die Pogromnacht 1938 in Berlin. Ihr Bruder Max konnte vorher noch nach Palästina auswandern. 1939 floh sie mit den Eltern nach Santo Domingo, später emigrierte sie in die USA.
Stierstr. 22 und 21
Ruben R. (1873-1944) war hoch dekorierter Pilot im Ersten Weltkrieg, Deportation nach Theresienstadt. Minna R. (1862-1943) hatte einen Tabakladen in der Stierstr. 22, auch sie wurde nach Theresienstadt deportiert. Betty R. (geb. 1904) gelang 1939 die Emigration nach Shanghai, von dort 1947 in die USA. Ihr Sohn Robert Cohn (geb.1947) ist der Verfasser eines Familienerinnerungsbuches „Against all Odds“ und Initiator weiterer Stolpersteine in der Stierstraße zusammen mit der dortigen Stolperstein-Initiative.
Stolpersteine (2009): Stierstr. 21 für Ruben und Minna Riesenburger
(1872 - 1948)
Luitpoldstr. 27 (heute: Nr. 20)
Sozialarbeiterin, Pädagogin, Frauenrechtlerin
Aktivistin der ersten Frauenbewegung, Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, Promotion. Gründete 1908 die Soziale Frauenschule und 1925 in den Räumen des Pestalozzi-Fröbel-Hauses die Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit, mit der sie sich um die Professionalisierung der fürsorgerischen Arbeit (Sozialarbeit) bemühte. 1914 Übertritt zum evangelischen Glauben. 1932 Ehrendoktorwürde. 1937 Emigration in die USA. 1939 Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft sowie ihrer Doktortitel.
Gedenktafeln: Karl-Schrader-Str. 7-8 (Pestalozzi-Fröbel-Haus, Haus 3), Alice-Salomon-Platz 5, Berlin-Hellersdorf (2008)
Die Alice-Salomon-Hochschule trägt ihren Namen. Das Alice-Salomon-Archiv befindet sich in ihrer ehemaligen Wirkungsstätte (Pestalozzi-Fröbel-Haus, Karl-Schrader-Str. 7-8).
(geb. 1921)
Landshuter Str. 35
12./13. Volksschule (heute Scharmützelsee-Grundschule), St. Franziskus-Oberlyzeum
(heute Katholische Schule St. Franziskus) und Jüdische Schule Große Hamburger Straße
Kaufmännische Angestellte
Sie beginnt 1936 eine kaufmännische Ausbildung.1939 Emigration nach England. Schwester Ruth gelangt mit einem der letzten Kindertransporte nach Großbritannien, wo beide ihre späteren Ehemänner kennenlernen. Die Eltern werden 1942 nach Trawniki deportiert. Steffi emigriert später in die USA.
Stolpersteine (2012) für Frieda und Werner Cohn, Landshuter Str. 35
(geb. 1923)
Babelsberg Str. 1
Werner-Siemens-Realgymnasium (heute: Georg-von-Giesche Oberschule)
Hohenzollern-Gymnasium
Spielte in einem jüdischen Fußballverein als Torwart. Konnte mit seinem Vater und seiner Stiefmutter nach Shanghai ins Exil gehen, nach Kriegsende Einwanderung in die USA. Heiratete eine deutsche Emigrantin, mit der er zwei Töchter hat, war beruflich im Handel tätig.
(geb. 1928)
Grunewaldstr. 25, Laubacher Str. 16
Musiker
Hellmut Stern verbachte seine Kindheit in Friedenau. 1937 wurde ihm als begabtestes Kind der 4. Jüdischen Volksschule in der Prinzregentenstraße seine erste Geige geschenkt.
Kurz vor der Pogromnacht erhielt die Familie Pässe und Visa. Ende November verließen sie Berlin und erreichten Shanghai Ende Dezember 1938. Von dort ging es mit der Transsibirischen Eisenbahn weiter bis nach Harbin, wo sie im Winter 1939 ankamen. Der Vater erteilte Gesangsunterricht, die Mutter bekam mit viel Mühe ein Engagement zur Begleitung von Bühnen- und Filmdarbietungen. Hellmut Stern hatte das Glück, dass die Stadt in den 1920er Jahren ein reiches kulturelles Leben entwickelt hatte, insbesondere durch die nach der Oktoberrevolution aus Russland geflüchteten Künstler. 1942, mit vierzehn Jahren, gab Hellmut Stern sein erstes öffentliches Konzert und 1945 wurde er in das Symphonieorchester der Stadt aufgenommen.
1949 durften die Sterns nach elf Jahren im chinesischen Exil nach Israel einwandern. Für Hellmut Stern begann bald sein Weg als Geiger in herausragenden Orchestern. 1951 trat er in das Israel Philharmonic Orchestra ein, bei der ersten Europa Tournee des Orchesters 1955 unternahm er eine private Reise nach Berlin und im Mai 1961 bewarb er sich beim Berliner Philharmonischen Orchester bei den Ersten Geigen. Nur wenige Tage nach dem Bau der Mauer trat er den Dienst im Orchester an. Bald darauf lernte Hellmut Stern seine Frau kennen, die er 1962 heiratete, zwei Kinder kamen zur Welt. Von 1984 bis 1987 gehörte er dem Fünferrat des Orchesters an. Nach Karajans Tod 1989 wählte das Orchester Claudio Abbado zu seinem neuen Chefdirigenten. Von 1990 bis 1992 konnte Hellmut Stern die schon lange von ihm erhoffte Reise des Orchesters nach Israel organisieren, Daniel Barenboim begleitete das Orchester dabei als Dirigent. Mit dem Eintritt in den Ruhestand 1994 hatte er mehr Zeit, um sich einer anderen Begabung, dem Erzählen, zu widmen. Hellmut Stern schrieb ein Buch über sein Leben, und wurde, wie er selbst sagt, Berufszeitzeuge, berichtet in Schulen aus seinem Leben.
Seit 1994 pensioniert und als Zeitzeuge aktiv.
(geb. 1924)
Kufsteiner Str. 19
Psychotherapeutin
1927 verließ die Familie Wolffers als Folge von Arbeitslosigkeit und Depression die Schweiz und zog nach Berlin, wo ein Bruder der Mutter lebte. Lilly war damals drei Jahre, ihre Brüder Hans und Artur 12 und 13 Jahre alt.
Etwa 1936 mussten sie ihre schöne Wohnung in der Bismarkstraße in Steglitz verlassen, da Juden dort nicht mehr erwünscht waren. Nach viel Mühe fanden sie eine neue Wohnung in Schöneberg in der Kufsteiner Str. 19. Am 9. November 1938 brannte die Synagoge in der Prinzregentenstraße und in der Schule wurde ihr Bruder als Jude beschimpft. Die Mutter meldete Lilly an der jüdischen Waldschule Kaliski in Dahlem an. Dort begann für sie der glücklichste Teil ihrer Jugend. Als Schweizer mit Schweizer Pässen konnten sie Berlin jederzeit verlassen. Doch Onkel Josef, der Bruder der Mutter, der ihnen geholfen hatte, ein neues Leben in Berlin aufzubauen, war ab 1939 bei ihnen zu Hause versteckt. Die Gestapo war hinter ihm her. „Unsere Wohnung ist ziemlich sicher, so hofften wir. So denke ich heute an die Kufsteiner Straße als eine kleine Oase, wo es uns gelang, zwei feine Männer vor dem sicheren Tod zu retten. Als wir wussten, dass beide Onkel in Sicherheit waren, packten wir unsere Koffer.“ Genau einen Monat nachdem die Familie Berlin verlassen hatte, begann der Zweite Weltkrieg. 1942 lernte Lilly Wolffers einen jungen jüdischen Studenten aus Ungarn kennen, der an der Universität Zürich Chemie studierte. Sie heirateten, und wanderten 1952 mit ihren zwei Kindern Petra und David nach Kanada aus. Ein Jahr später erhielten sie Visa für Amerika und gingen in die Vereinigten Staaten. „Dies ist nun unsere neue Heimat, die wir sehr lieben.“
1993 war Lilly Szonyi zu Besuch in Berlin. „Aber nichts ist vergessen, die schrecklichen Verluste wiegen schwerer als die guten Erinnerungen – doch wir sind dankbar, dass wir auch ein paar gute Erinnerungen haben. Berlin-Schöneberg spielt darin eine große Rolle. Heute ist die Familie über die ganze Welt verstreut, doch wir sind immer noch in Kontakt miteinander.“
(1906 - 2002)
Viktoria-Luise-Platz 11
Filmregisseur, Drehbuchautor
Aufgewachsen in Krakau und Wien, lebte seit 1926 in Berlin, Arbeit als Publizist und Drehbuchautor. 1934 Emigration in die USA, 1939 amerikanischer Staatsbürger, eine Tochter, ein Sohn. Schrieb bald auf Englisch Drehbücher, Regisseur bekannter Filme, wie „Manche mögen’s heiß“. Betätigte sich auch als Filmproduzent, mehrfacher Oscarpreisträger; Zusammenarbeit u. a. mit Alfred Hitchcock, Ernst Lubitsch, Marilyn Monroe, Jack Lemmon.
Gedenktafel (1993) Viktoria-Luise-platz 11
1924 - 2016
Bamberger Str. 28
Luise-Zickel-Schule
Die dreiköpfige Familie Steinberg entschloss sich 1938 zur Emigration nach Italien. 1940 wurde der Vater, Arthur Steinberg, aus Turin ausgewiesen. Mutter und Tochter Steffi wurden in ein Dorf in den Abbruzzen abgeschoben, 1940 starb der Vater. Mutter und Tochter flüchteten 1943 nach Bari, dort wurden sie in einem Flüchtlingslager interniert. 1944 konnten sie in die USA emigrieren; dort heiratete Steffi, sie wurde Mutter zweier Söhne. Sie starb 2016 in den USA.
(1896 - 1977)
Fritz-Elsas-Str.18 (vormals: Am Park 18)
Dramatiker, Theaterautor
Zog unmittelbar nach dem Notabitur 1914 als Kriegsfreiwilliger in den Ersten Weltkrieg. Angesichts der Greuel wird er 1918 als Pazifist aus dem Militär entlassen. Nach der Rückkehr ins zivile Leben studiert er u.a. Rechtswissenschaften, doch gilt sein Hauptinteresse dem literarischen Schreiben. Mit dem Volksstück „Der fröhliche Weinberg“ (1925), das am Berliner Ensemble uraufgeführt wird, gelingt ihm ein durchschlagender Erfolg, andere Stücke folgen, so „Der Hauptmann von Köpenick“ (1931), er schreibt auch mit Karl Vollmoeller das Drehbuch für den Film „Der blaue Engel“ (mit Marlene Dietrich und Emil Jannings unter der Regie Joseph von Sternbergs). Mit dem Machtantritt der Nazis wird er 1933 als sogenannter Halbjude mit Aufführungsverbot belegt, er zieht sich daraufhin nach Österreich zurück. Seine finanzielle Lage verschlechtert sich dramatisch. 1938 flieht er in die Schweiz, 1939 dann über Kuba in die USA, deren Staatsbürger er 1946 wird. Er schreibt weiterhin in Deutsch; mit dem 1947 uraufgeführten Stück „Des Teufels General“ findet er wieder Anerkennung, kann im deutschsprachigen Raum an seine Erfolge vor 1933 anknüpfen. 1958 siedelt er mit seiner Frau in die Schweiz über, deren Staatsbürger er wird. Zuckmayer stirbt im Alter von 80 Jahren in Visp im Wallis.
Großer Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (1955)
Gedenktafel: Fritz-Elsas-Str. 18